Kurz vor dem geschichtsträchtigen 9. November flatterte mir wie vermutlich vielen Millionen Haushalten in der Bundesrepublik Deutschland ungebeten Post von einer gewissen Münzhandelsgesellschaft Deutsche Münze ins Haus. Angeboten wurde zum Jubiläum 1989-2019 ein „Feingoldbarren 30 Jahre Mauerfall“. Letzteren verursacht bildlich auf beiden Seiten des Goldstücks ein Trabi, der von hinten und von vorn eine Mauer durchbricht (oder eher drin stecken bleibt?). Die unwahrscheinlich symbolische Mauer-Ramme aus reinstem Gold, achtmal in verschiedensten Größen abgebildet, sollte „nur 29 Euro“ (plus 3,95 Euro Versand) kosten. Im Kleingedruckten versteckt findet sich ein Hinweis, dass dieser kaum Fingernagel-große „Barren“ in Wirklichkeit ganze 15,2 x 8,7 Millimeter groß und 0,32 Gramm (1/100 oz) schwer ist. „Mit dem mehrwertsteuerfreien Jubiläumsbarren…haben Sie die Gelegenheit, reinstes Gold für einen überschaubaren Betrag zu erwerben“, verkündet launig der Geschäftsführer. Bevor ich meinen „Zuteilungsanspruch“ verfallen ließ, hab ich mal im Internet nachgeschaut, was derzeit eine Unze Feingold kostet: Die Münze „Pamp Lunar“ mit Prägung „2019 – Jahr des Schweins“ wird für 1.391,57 Euro angeboten. Eine Hundertstel Unze Gold bekäme ich demnach für 13,92 Euro. Daraus sieht man, wie wertvoll uns doch das 30jährige Jubiläum der Maueröffnung ist und wer daran noch heute Millionen verdienen will. Kann man es da den deutschen Goldhamstern verdenken, wenn sie sich lieber das aktuelle Jahr des Schweins vergolden lassen?
Nach dieser Feingold-haltigen Münzhandels-Prosa als Zugabe zwei
meiner poetischen Rückblicke auf die Maueröffnung und ihre Folgen:
West-östliches Lotterbett
Sie waren so verschieden
wie Ost und West wie Tag und Nacht
und doch hat die triebhafte Liebe sie
irgendwie zusammengebracht
Sie fanden zueinander
überwanden die Mauer der Einsamkeit
und waren sich plötzlich so nah hautnah
einen stürmischen Frühling lang
Sie erglühten füreinander
in der purpurnen Farbe der Liebe
Der Eine in des Lebens Blüte
der Andere sterbend im sprudelnden Sud
Sie lag zwischen seinen Scheren
Säugt ihn an ihrer volkseigenen Brust
Sie küssten sich zärtlich sie küssten sich wild
und keuchten in heißer Vereinigungslust
Dann sagten sie artig adieu
mon amour und gingen ihres Wegs
Der Hummer und die Klatschmohn-Blüte
Herr Ex und Fräulein Hopp
Es war ja gar keine Liebe ach
was denn - Nur die Sehnsucht danach
Und hundert Küsse voll Leidenschaft
nur hundert kleine Lügen?
Aber das ist doch die Liebe mein Herz:
Nur hundert kleine Lügen
nur tausend süße Lügen
zehntausend zärtliche Lügen
Utopie-Verbot
Als es nur den nackten kalten
Kapitalismus gab
ach wie hofften da die Menschen
auf den wärmenden Mantel des Sozialismus
Als sie den zerlumpten Mantel
des bürokratischen Sozialismus sahen
ach wie hofften da die Menschen
auf den herausgeputzten Kapitalismus
Als der Staatssozialismus eines Tages
seine reale Existenz aufgab
und der Turbo-Kapitalismus
die Weltherrschaft antrat -
wie fuhr da die Hoffnung von Generationen
ach ins finstere Grab